Anfrage der Linken in der Bürgerschaft. Die elektronische Gesundheitskarte sorgt weiter für Aufregung. Abendblatt-Bericht enthüllt brisantes Gutachten.

Hamburg/Berlin. Die Debatte um den Datenschutz bei der elektronischen Gesundheitskarte hat ein parlamentarisches Nachspiel. Die Hamburger Linken-Abgeordnete Kersten Artus (Vizepräsidentin der Bürgerschaft) stellt eine Kleine Anfrage an den Senat, ob ihm das Gutachten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) bekannt ist. Nach dem Abendblatt-Bericht über das bislang unter Verschluss gehaltene Gutachten ist die e-Card rechtswidrig. Das Foto auf der Gesundheitskarte ist nicht identitätsgeprüft.

Die Karte kann laut juristischer Expertise nicht eingesetzt werden wie geplant und verhindert deshalb auch nicht den Missbrauch. „Treffen die Ergebnisse des Gutachtens zu, reiht sich dieser Vorfall in eine Serie von geldintensiven Pannen ein, die den Weg des gesamte Projekts der elektronischen Gesundheitskarte pflastern“, so Artus zur Begründung.

Der Senat solle beantworten, wie er zu den Ergebnissen des Gutachtens steht und was der Hamburgische Datenschutzbeaufttagte dazu sagt. Laut Abendblatt-Recherchen haben viele Datenschutzexperten sich auf den bisherigen Bundesdatenschutzbeauftragten verlassen.

Peter Schaar hatte jedoch die Bedenken der Experten nicht geteilt. Allerdings liegen bei seiner jetzigen Nachfolgerin Andrea Voßhoff bereits juristische Beschwerden über die Gesundheitskarte vor.

Darunter befindet sich eine Expertise, die auch dem Abendblatt vorliegt. Sie belegt, dass die Karten nachträglich geprüft werden können. Dieses Verfahren würde etwa 700 Millionen Euro kosten, wie einer der Gutachten-Verfasser dem Abendblatt sagte.

Hinter der heftigen Kritik an der Gesundheitskarte vermuten viele die deutsche IT-Branche. Denn tatsächlich würden spezialisierte Softwarehäuser viel verdienen, wenn die Karte neu herausgegeben oder nachbearbeitet werden müsste. Allerdings gehörte der mächtige IT-Verband Bitkom lange zu den Verfechtern der Karte.

Wie interne Mails belegen, hat sich bei der Bitkom die Stimmung gedreht. Auch hier spricht man bereits von Nachbesserungen. Im Gutachten der Ärzte steht mit Verweis auf deutsche Gesetze, dass bei sensiblen medizinischen Daten Sicherheit vor Wirtschaftlichkeit geht.

Die Krankenkassen schieben den Schwarzen Peter den Ärzten zu. Die müssten im Zweifel Karte und Personalausweis prüfen. KBV-Sprecher Roland Stahl sagte empört: „Ein aufwendiger Abgleich kann nicht in die Arztpraxen verlagert werden.“ Außerdem ist auch das gesetzwidrig.

Vorläufig können noch gültige alte Krankenkassenkarten in den Arztpraxen eingelesen werden. Darauf weisen Hamburger Ärzte hin.

Wie die Zukunft der Online-Abfrage aussieht, belegt eine Behandlungsquittung, die ein Hamburger Patient online bei seiner Krankenkasse abfragte. Über Umwege gelangte der Beleg zum Abendblatt. Herzprobleme stehen da, Fettleibigkeit, anhaltende Arztbesuche, eine psychische Erkrankung. Alles aufgelistet mit Diagnose, Datum der Behandlung, Arzt und was es kostet. Die Krankenkassen versichern, dass diese Daten ausschließlich der Patient einsehen kann.