Pressemitteilung der Aktion " Stoppt-die-eCard" nach dem Aktionstreffen in Hamburg am 29. 4. 2016
http://www.presseportal.de/pm/72083/3316719
Hamburg (ots) - In Hamburg hat sich am Freitag die
bundesweite Initiative "Aktion: Stoppt die e-Card" getroffen, um den
Stand der Einführung des politisch verordneten zentralen
Medizindatennetzes kritisch zu betrachten. Dabei wurde klar: Die 70
Millionen ausgegebenen elektronischen Gesundheitskarten entsprechen
nicht dem Sicherheitsniveau, welches notwendig ist, um als
Zugangsschlüssel für die sogenannte Telematikinfrastruktur zu dienen.
Die Milliardenausgaben der vergangenen zehn Jahre sind verlorenes Geld,
vergleichbar mit anderen gescheiterten staatlichen Mammutprojekten wie
dem Berliner Flughafen.
Die Kritik von Datenschützern, Ärzten und Patienten
hat sich erneut bestätigt. Der Datenschutzexperte Dr. Andre Zilch
berichtete, dass die Krankenkassen bei den ausgegebenen
Generation-1(G1)-Karten entgegen aller Vorschriften nicht geprüft
hätten, ob Personalien einschließlich Foto mit der Identität des
Versicherten übereinstimmten. Entsprechend liege kein sicherer digitaler
Identitätsnachweis vor und dieser unsichere Zugang eigne sich nicht für
den geplanten Versichertenstammdatendienst in den Arztpraxen ab 1. Juli
2016. Noch viel weniger könne man über diese unsichere Karte
Notfalldaten, Diagnosen, Medikamentenverordnungen, Organspendeausweis
oder eine elektronische Patientenakte speichern - man wisse ja gar
nicht, wer tatsächlich vor einem sitze, erläuterte Zilch. Ärzte könnten
sich hier strafbar machen.
Das Bundesversicherungsamt (BVA) als
staatliche Kontrollinstanz für alle bundesweit tätigen Krankenkassen
habe jetzt angekündigt, künftig genau zu prüfen, ob die Krankenkassen
ihre Aufgaben beim Datenschutz im Sinne der Versicherten erfüllten. "Im
Zuge der Ausgabe der nächsten Kartengeneration G2 bis 2017 müssten alle
Kassen eine Nachidentifizierung der Versicherten durchführen. Das würde
etwa weitere 700 Millionen Euro verschlingen", sagte die Sprecherin der
Aktion Stoppt die e-Card, Dr. Silke Lüder. Zusammen mit der notwendigen
Anschaffung von neuen Kartenlesegeräten und Konnektoren in den
Arztpraxen entsteht so ein weiteres Milliardengrab für dieses unsinnige
und gefährliche Projekt."
Auch der industriegesteuerte
Selftracking-Hype wurde in Hamburg diskutiert. Hierzu waren die Bremer
Soziologin Dr. Silja Samerski und der Netzaktivist padeluun von der
Datenschutzvereinigung Digitalcourage eingeladen. Samerski kritisierte
die falsche Zielsetzung der aktuellen Gesundheitspolitik: Sie sei eine
reine Risikomedizin, die auf teure Vorsorgemedizin mit gentechnisch
vorausgesagten Erkrankungsrisiken setze und die kurative
Grundlagenmedizin zur Behandlung schon Erkrankter benachteilige.
Digitalcourage hat kürzlich einen "Big Brother Award" an die
Generali-Versicherung verliehen, einen Negativpreis, mit dem die Politik
der Versicherung kritisiert wird: Laut Digitalcourage soll sie ihren
Versicherten Vorteile versprechen, wenn sie ihre Fitnessdaten preisgeben
würden.
Die Vertreter der Aktion aus Verbänden der gesamten
Zivilgesellschaft betonten, dass sie ihre Kritik an dem e-Card-Projekt
aufrechterhalten werden. Man prüfe zusammen mit dem erfahrenen
Rechtsanwalt und Richter am Verfassungsgericht Berlin, Meinhard
Starostik, eine Verfassungsbeschwerde gegen das E-Health-Gesetz. Dieses
Gesetz aus dem Haus von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe
imponiere als reines Zwangsgesetz, welches mit Druck auf die ablehnende
Ärzteschaft den Medizindatenschutz zum Nachteil der Patienten nachhaltig
aushöhlen werde, sagte Aktionssprecherin Lüder in Hamburg. Ob es einer
Prüfung des Bundesverfassungsgerichts standhalte, sei die große Frage.
Über die Aktion "Stoppt die e-Card"
"Stoppt
die e-Card" ist ein breites Bündnis von 54 Bürgerrechtsorganisationen,
Datenschützern, Patienten- und Ärzteverbänden. Unter anderem gehören
dazu: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, Digitalcourage, Chaos
Computer Club, IPPNW, Freie Ärzteschaft e. V., NAV-Virchowbund, Deutsche
AIDS-Hilfe. Das Bündnis lehnt die eGK ab und fordert, das
milliardenschwere Projekt einzustampfen. Sprecher der Aktion "Stoppt die
e-Card" sind Dr. Silke Lüder, Gabi Thiess, Dr. Manfred Lotze und
Kai-Uwe Steffens.