Ursprünglich sollte die e-Card bereits 2006 eingeführt werden, doch führte ein Flut von Widersprüchen, ungelösten technischen Problemen und Pannen bei Testläufen dazu, daß das Vorhaben mehrfach verschoben und erheblich reduziert wurde. Um sich greifender Protest von Ärzten, Krankenkassen und Datenschützern kippte das elektronische Rezept ebenso wie die elektronische Patientenakte, so daß das futuristische Konzept, alle erdenklichen Daten auf der e-Card zu vereinen, unterwegs auf ein dürftiges Endprodukt zusammenschrumpfte. Jetzt unterscheidet sich die neue Karte, von verbesserten Sicherheitsaspekten abgesehen, von der alten vor allem durch ein aufgedrucktes Lichtbild des Patienten. Obgleich das Projekt inzwischen weithin als gescheitert, nutzlos oder sogar kontraproduktiv eingeschätzt wird, hält das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) an seiner Durchsetzung fest. Um diese zu erzwingen, werden die Krankenkassen durch eine Gesetzesänderung genötigt, ab 1. Oktober 2011 bis Ende des Jahres an 10 Prozent ihrer Versicherten e-Cards auszugeben. Erfüllen sie diese Auflage nicht, drohen ihnen Strafen in Millionenhöhe. Angesichts dieser Terminierung tritt nun der Widerstand gegen die elektronische Gesundheitskarte in eine entscheidende Phase.
Freitag, 23. September 2011
Treffen der Aktion "Stoppt die e-Card!" am 16. September in Hamburg
Sonntag, 11. September 2011
Freiheit statt Angst 2011: Gesundheit ist keine Ware, Medizindaten sind kein Geschäftsfeld.
Rede von Silke Lüder anlässlich der Demo „Freiheit statt Angst“ 2011
Liebe Freunde,
Der Überwachungswahn in unserer Gesellschaft macht auch nicht vor unseren intimsten Daten halt, den Krankheitsdaten.
Worum geht es?
In diesem Winter soll der digitale Transrapid namens elektronische Gesundheitskarte endlich Wirklichkeit werden.
Seit 2006 sollte sie jeder schon in seinem Portemonnaie haben. Eine Milliarde Euro wurden bereits dafür ausgegeben, aber auf das angebliche Wunderwerk warten wir immer noch. Ein Zauberkärtchen, dass das Gesundheitswesen revolutioniert und alles besser und billiger macht: Das versprach Ulla Schmidt 2006 – es folgte eine Galavorstellung aus der Reihe Pleiten, Pech und Pannen.
Alle Patientendaten sollten übers Internet geleitet, auf Internetservern in zentralen Patientenakten gespeichert, zwei Millionen „Teilnehmer am Gesundheitswesen“ jederzeit darauf zugreifen können. Rezepte sollten nur noch auf der Karte gespeichert werden, und durch die Notfalldaten auf dem kleinen Kärtchen jeder jederzeit im Notfall auf der Stelle gerettet werden können.
Angebliche Einsparungspotenziale in Milliardenhöhe pro Jahr standen als Ergebnis unter Phantasie-Kalkulationen. Daneben sollte die deutsche Wirtschaft von diesem „weltgrößten IT Projekt“ direkt aus der Steuer- und Krankenkassenschatulle profitieren.
Was kommt jetzt, Ende 2011? Eine Gesundheitskarte, die nur noch ein digitales Gerippe ist.
Selbst die Krankenkassen sind jetzt von dem Projekt nicht mehr überzeugt. Mit der Androhung von Millionenstrafen für die gesetzlichen Kassen soll es ab Oktober durchgesetzt werden. Es gab aufwändige Tests, in denen elektronisches -Rezept und die praktische Handhabung der Karte getestet wurden. Die Ergebnisse waren niederschmetternd. Nichts hat funktioniert. Die Abläufe in den Praxen verlangsamten sich, und das e-Rezept legte die Praxisarbeit lahm. Und: Patienten wie Ärzte hatten die 6-stelligen PIN-Nummern stets vergessen. Nicht mehr, sondern weniger Gesprächszeit beim Arzt war das Ergebnis.
Der „Notfalldatensatz“ auf der Versichertenkarte ist ein weiteres Beispiel für eine verlogene Argumentation. In allen Werbeumfragen der Industrie wird suggeriert: Wollen Sie im Notfall gerettet werden, weil ihre Blutgruppe auf ihrer Versichertenkarte steht?
Wer will da nein sagen?
Dabei ist auch der Industrie-Lobby bekannt, dass jeder im akuten Notfall erst mal eine Art Standardblutkonserve bekommt und im Krankenhaus die Blutgruppe jedes Mal neu getestet werden muss.
Durch das Foto auf der Karte solle der Missbrauch gestoppt werden. Nach den EU-Datenschutzrichtlinien müsste die Übereinstimmung von Foto und Versichertem geprüft werden. Das geschieht aber nicht. Wer es drauf anlegt, reicht einfach ein falsches Foto ein. Auch dieses Werbeargument ist also nur eine Fiktion.
Normalerweise sollten niederschmetternde Testergebnisse zur Einstelllung eines Mammutprojektes führen.
Aber hier geht es um zu viel sicheres Geld aus öffentlichen Kassen für die IT-Industrie, die offensichtlich gute Drähte nach Berlin hat: Sprach sich Gesundheitsminister Daniel Bahr vor der Wahl noch vehement gegen die Karte aus, setzt sein Ministerium nun die Industrieforderungen mit Nachdruck in Gesetzesregelungen um.
Und die weitergehenden Pläne der Totalvernetzung des Gesundheitswesens und der Speicherung aller Medizindaten in zentralen Serveranlagen sind nur vorläufig auf Eis gelegt worden. Sie werden im Hintergrund konsequent weiter verfolgt aber ohne dass die Öffentlichkeit davon Kenntnis hat.
Die Gesundheitswirtschaft wünscht, in den Besitz der Medizindaten zu kommen, das ist der tiefere Hintergrund der Weiterführung des schon im Vorwege gescheiterten e- Card Projektes.
Medizindaten sind wertvoll, Medizindaten werden gebraucht um Gesundheitskonzernen die Planung und Renditeerwirtschaftung für ihre Kapitalgesellschaften zu ermöglichen. Also geht das e- Card Projekt immer weiter, seit 2006.Trotz aller Widerstände von Ärzten, Patienten, und Bürgerrechtsorganisationen.
Bis zu 14 Milliarden Euro soll dieses Projekt kosten. Geld, das nutzlos verbrannt wird – und das anschließend da fehlt, wofür die Bürger es zahlen: In der Patientenversorgung.
Dieser gefährliche Unsinn gehört auf den Müllhaufen deutscher Gesundheitspolitik. Die Milliarden müssen dort eingesetzt werden, wo sie wirklich gebraucht werden. In der Finanzierung eines guten Gesundheitswesens für jeden Bürger, in Medizin auf hohem Niveau für die Menschen. 750 000 Bürger haben schon erklärt, dass sie sich weigern, die neue Karte zu nutzen. Der Deutsche Ärztetag hat seit Jahren das Projekt abgelehnt!
Gesundheit ist keine Ware, Medizindaten sind kein Geschäftsfeld. Und: Krankheitsdaten gehören nichts ins Internet. Niemand kann sie dort auf Dauer schützen. Vielen Dank!
Dr. med. Silke Lüder
Allgemeinärztin in Hamburg, Sprecherin der bundesweiten Aktion „ Stoppt-die-e-Card“ aus 53 Organisationen und Verbänden aus allen Bereichen der Gesellschaft
Freitag, 9. September 2011
Stoppt die elektronische Gesundheitskarte
Debatte - Stoppt die elektronische Gesundheitskarte - Politik - Hamburger Abendblatt
Seit 2006 sollte sie jeder schon im Portemonnaie haben: die elektronische Gesundheitskarte (e-Card). Eine Milliarde Euro wurde dafür ausgegeben, auf das angebliche Wunderwerk warten wir noch. Das Zauberkärtchen sollte das Gesundheitswesen revolutionieren und alles besser und billiger machen: Das versprach Ulla Schmidt (SPD) 2006. Es folgte eine Galavorstellung aus der Reihe Pleiten, Pech und Pannen.
Mittwoch, 6. Juli 2011
Wir stoppen das gefährliche und unsinnige Projekt endgültig!
Material der bundesweiten Aktion "Stoppt die e-Card!" zum Download für einen aktiven Herbst 2011!
Mit den Mitteln politischer „Erpressung“ wird ein schon im Vorwege gescheitertes Projekt jetzt von oben durchgedrückt. Die „Elektronische Gesundheitskarte“ soll ab Oktober 2011 kommen, die Krankenkassen werden gezwungen weiter mitzuspielen , die Industrie macht Druck, die ärztlichen „Körperschaftsspitzen“ arrangieren sich, auch wenn die Basisärzte seit Jahren konsequent dagegen sind und alle Ärztetage dagegen gestimmt haben. Patienten als Hauptbetroffene werden erst gar nicht gefragt.
Aber wir machen nicht mit!
Zum Download gibt es jetzt neue Materialien, von der „NeeCard“ der Kollegin Dr. Margaretha Kirsch, über ein Praxisplakat für den Eingang, zu den neuen Flyern der bundesweiten Protestaktion aus 48 Organisationen und Verbänden.
Machen Sie mit, drucken Sie sich die Flyer und die Plakate aus, bestellen Sie sich die „NeeCards“ in großen Mengen für wenig Geld bei Onlinedruckereien, z.B. hier :
Drucken Sie den Musterbrief an die Kasse für Ihre Patienten, die vielleicht kein Foto einreichen wollen.
Vor allem: Nicht registrieren lassen als „Zustimmerpraxis“!
Die Arztpraxen sitzen im Moment am Dreh- und Angelpunkt. Im Moment überlegen viele Kollegen, ob sie sich die neuen onlinefähigen e- Card Kartenlesegeräte kaufen und ob sie sich das Geld dafür von den Kassen via KV bezahlen lassen. Dazu die Anmerkung: In Nordrhein wurden die neuen Kartenlesegeräte schon 2009 „ausgerollt“. Dort wurde jede Praxis die sich hat „kaufen“ lassen von KV, Kassen und Politik als „ Zustimmerpraxis“ registriert. Kassen in Bayern haben verlauten lassen, erst wenn alle Praxen mit den neuen Lesegeräten ausgestattet seien würden die e-Cards an die Versicherten ausgegeben werden.
Das heißt, wenn auch nur 30% der Praxen nicht registriert sind kann man davon ausgehen, dass das ganze unsinnige Projekt stirbt.
Gemeinsam können wir es schaffen!
Dr. Silke Lüder
Sprecherin der Aktion „Stoppt die e-Card“!
Diagnose: Kartentricks
Von Dr. med. Bernd Hontschik
Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, über die ist eigentlich alles gesagt. Da können sie schon mal aus dem öffentlichen Blickfeld geraten. Genau das geschieht zurzeit mit der elektronischen Gesundheitskarte.
Mehrere Ärztetage haben die elektronische Gesundheitskarte mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Natürlich haben Ärzte nichts gegen die Dokumentation von Notfalldaten. Dafür braucht man aber keine Speicherung sämtlicher Krankheitsdaten der gesamten Bevölkerung auf zentralen Servern, dem unberechtigten Zugriff von professionellen Hackern ausgeliefert. Diese Daten könnte sich vielmehr jeder Versicherte selbst auf seiner Karte speichern – offline. Natürlich haben Ärzte nichts dagegen, den Missbrauch mit der bisherigen Chipkarte einzudämmen, der die Versichertengemeinschaft jedes Jahr wenige Millionen Euro kostet. Dafür braucht man aber keinen Rund-um-die-Uhr-Online-Zugriff über das Internet für viele Milliarden Euro aufzubauen. Natürlich haben Ärzte nichts dagegen, die Kommunikation zwischen den verschiedenen Heilberufen ambulant und stationär zu modernisieren. Dafür braucht man aber keinen „gläsernen Patienten“ in zentralen Mammutservern, sondern ein einfaches Point-to-Point-Netzwerk wäre die preiswerte und sichere Lösung.
Diese elektronische Gesundheitskarte hat mit Gesundheit nichts zu tun. Es handelt sich schlicht um einen riesigen Auftrag für die IT-Industrie. Die FDP hat vor den letzten Bundestagswahlen ein Moratorium der Gesundheitskarte versprochen. Kaum an der Macht, vollzog Philipp Rösler genau das Gegenteil. Mit einem infamen Gesetz, vorbei an Ärztetagsvoten, unter Missachtung der Warnungen der Krankenkassen und der vernichtenden Kommentare von Online-Spezialisten werden die Kassen mit diesem Gesetz gezwungen, bis zum Herbst 2011 mindestens zehn Prozent ihrer Mitglieder mit elektronischen Gesundheitskarten auszustatten. Tun sie das nicht, so erhalten Sie eine empfindlich geringere Zuweisung aus dem Gesundheitsfonds. Das ist Erpressung.
Da bleibt nur noch Galgenhumor: Wenn ihr Pizzabäcker Ihnen demnächst auf Ihre Bestellung „mit besonders viel Käse“ antworten wird, dass Ihre Blutfette sowieso schon im kritischen Bereich seien und Ihnen eine mit Soja und Joghurt empfiehlt, das hätten Sie doch letzte Woche auch im Supermarkt gekauft, und Ihnen außerdem die Gratis-Softdrinks verweigert, weil Sie Diabetiker sind, und auf Barzahlung besteht, weil Ihr Konto überzogen ist, spätestens dann wissen Sie: Der Widerstand war wohl doch nicht groß genug.
Weiterlesen: www.die-krankheitskarte.de
Quelle: Diagnose: Kartentricks | Wissenschaft - Frankfurter Rundschau
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors
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Freitag, 17. Juni 2011
Ärzteschaft weiter gegen die "Elektronische Gesundheitskarte" - Beschlusslage aus 2010 gilt weiterhin!
Der Deutsche Ärztetag hat 2011 in Kiel keine neuen Beschlüsse zur elektronischen Gesundheitskarte gefasst. Nach den ausführlichen Debatten über den Lebensanfang (PID) und das Lebensende ("Sterbehilfediskussion"), um Berufsordnung und Weiterbildungsordnung, und nach Durchführung der Präsidiumswahlen, blieb am Ende für all das, was für die Ärzteschaft für ihre tägliche Arbeit mindestens ebenso wichtig ist, wie immer fast keine Zeit mehr.
Sicher nicht ganz ohne Grund wurde das Thema "Telematik" von der neuen Tagungsleitung am Vorabend des letzten Tages ganz ans Ende des Abstimmungsmarathons gesetzt. Es kam wie es kommen musste: ein großer Teil aller gestellten Anträge wurde im Paket "an den Vorstand" überwiesen.
Das bedeutet aber auch, dass der Ablehnungsbeschluss aus dem letzten Jahr weiterhin Gültigkeit hat und vom neuen Präsidium umgesetzt werden muss!
Die e-Card Ablehnung durch die Basisärzteschaft war während des ganzen Ärztetages in Kiel völlig klar. Die Delegierten der Freien Ärzteschaft haben vor dem Eingang zur Eröffnungsveranstaltung den "Offenen Brief an Präsident Hoppe" an Besucher und Politiker verteilt, und die große Unterstützung durch viele Unterzeichner aus allen Fraktionen deutete ebenfalls auf gute Chancen des neuen Antrages hin.
Selbst die Bundesärztekammer fordert in ihrem Antrag, dass die Ärzte vor der Beseitigung der neu aufgetauchten Sicherheitslücken der BCS Kartenterminals diese nicht erwerben sollen! In einem weiteren Antrag, der noch schnell während des Abstimmungsmarathons als Reaktion auf den e-Card Ablehnungsantrag ( s.u.) aus dem Hut gezaubert wurde, bitten die Vorstandsmitglieder Bartmann, Montgomery et al eigentlich nur noch darum, dass sie das e-Card Projekt weiter kritisch begleiten und in der gematik weiter mitarbeiten dürfen. Auch dieser Antrag wurde an den Vorstand überwiesen.
Und das ist der zentrale Antrag, dessen Abstimmung man ganz nach hinten geschoben hatte:
114. Deutscher Ärztetag
Kiel, 31.05. - 03.06.2011 Ärztetags-Drucksache Nr. VI – 110
TOP VI Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer
Betrifft:
Für moderne Informations- und Kommunikationstechnik - gegen die Elektronische Gesundheitskarte
Vorstandsüberweisung
Der Beschlussantrag von Herrn Dietrich, Frau Dr. Blessing, Herrn Dr. Brunngraber, Frau Bartels, Herrn Grauduszus, Frau Prof. Dr. Krause-Girth, Herrn Dr. Pickerodt, Herrn Dr. Veelken, Frau Dr. Wulff, Herrn Dr. Ramm, Herrn Dr. Harb, Herrn Dr. Freßle, Herrn Dr. Schulte, Frau Dr. Vitzthum, Herrn Dr. Mohr, Frau Dr. Thiel, Herrn Dr. Ascheraden, Herrn Dr. Baier, Herrn Prof. Dr. Hettenbach, Herrn Dipl.-Pol. Rübsam-Simon, Herrn Dr. Barczok, Herrn Dr. Baumgärtner, Herrn Dr. Doench, Herrn Dr. Burmeister, Herrn Eskuchen und Herrn Dr. Peters (Drucksache VI - 110) wird zur weiteren Beratung an den Vorstand der Bundesärztekammer überwiesen:
Der Deutsche Ärztetag 2011 in Kiel lehnt die Unterstützung des Projekts „Elektronische Gesundheitskarte“ in der jetzt weitergeführten Form ab und fordert das neue Präsidium der Bundesärztekammer auf, diesen Beschluss konsequent umzusetzen.
Begründung:
„Eine bundesweite Telematikinfrastruktur mit der verpflichtenden Online-Anbindung und der Speicherung von Krankheitsdaten in einer zentralen Serverstruktur wird abgelehnt: Eine Neukonzeption des gesamten Projektes ist erforderlich.“ (Abschlusssatz Grundsätze Telematik Deutscher Ärztetag Ulm 2008 nach 7 stündiger Diskussion zum Thema)
Die nach der Bundestagswahl vorgenommene Neukonzeption des Projektes entspricht nicht den ärztlichen Anforderungen und den Ablehnungsbeschlüssen der Deutschen Ärztetage von 2008 bis 2010.
Die mit großem Aufwand in sieben Bundesländern durchgeführten Tests sind gescheitert. Als Reaktion darauf hat die Politik in einer neuen Rechtsverordnung die weiteren Tests überwiegend abgeschafft. Seit sechs Jahren werden Milliarden investiert, ohne dass ein einziger Erfolg des Projekts zu verzeichnen ist.
Eine echte Neukonzeption hätte auf die Einführung einer verpflichtenden Online-Anbindung verzichtet und gesicherte elektronische Kommunikationswege für diejenigen Teilnehmer des Gesundheitswesens ermöglicht, die diese tatsächlich benötigen. Bei einer solchen Erfüllung eines echten Bedarfes hätte es keiner staatlich aufoktroyierten, zentralisierten Zwangsinfrastruktur bedurft.
Die jetzt vorgenommene „Neuausrichtung“ bedeutet für die Ärzteschaft eine weitere massive Bürokratiebelastung in Kliniken und Praxen und für die gesetzlich Versicherten in Zeiten von Kassenpleiten, dass ihre Beiträge weiterhin in ein Projekt mit unsicherem Ausgang investiert werden.
Seit 2004 wird die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte geplant, um die„Qualität, Wirtschaftlichkeit und Transparenz des deutschen Gesundheitswesens zu verbessern“ (Sozialgesetzbuch V). Die neue Karte ist in 2011 immer noch nicht eingeführt. Das Projekt droht trotz aller Gesetzesänderungen weiterhin zu scheitern. Die Kostenträger müssen mit der Androhung von Zwangsgeldern gezwungen werden, an ihre Versicherten die neuen teuren Karten auszugeben.
Die zentrale Krankheitsdatenspeicherung wird vom Gesundheitsministerium weiter vorangetrieben. Aufträge zur Erstellung von zentralen elektronischen Patientenakten auf der Basis der e-Card-Infrastruktur und zur Entwicklung des von allen Deutschen Ärztetagen seit 2008 abgelehnten elektronischen Rezeptes wurden von der ehealth- Arbeitsgruppe im Ministerium an die Fraunhofer-Gesellschaften vergeben.
Die jetzige Neuauflage des Projektes hat für den geplanten Online-Rollout als 2. Ausbaustufe die Sicherheitsanforderungen deutlich reduziert.
Die Abschwächung der Sicherheitsanforderungen wird von unabhängigen Datenschutzexperten mit Kritik an gefährlichen strukturellen Sicherheitslücken beantwortet, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) stellt in der Folge nicht umsetzbare Forderungen nach ständig zu beaufsichtigenden e-Card-Lesegeräten in Klinik und Praxis auf.
Die von Politik und Gematik vorgenommene „Neukonzeption“ bedeutet für die Ärzteschaft:
- Verlagerung von Verwaltungsarbeit der Krankenkassen in die Arztpraxen durch eine verpflichtende Online-Stammdatenaktualisierung.
- Übernahme der Verpflichtung zur Bereitstellung einer elektronischen Patientenakte in Kleinformat auf dem Kartenchip der Karte (genannt Notfalldatensatz), die man überall vorlegen muss. Mit dem Auftrag vor allem an die Haus- und Facharztpraxen, in von der BÄK geschätzten 388 Millionen Behandlungsfällen jährlich tagesaktuell eine ständig zu verändernde Versichertenakte mit allen Diagnosen, Medikamenten und einer Aktenführung, welche bei jeder Medikationsänderung chronisch Kranker eine Änderung mit Signatur des Datensatzes erfordert. Ohne Klärung dessen, wer diese ausufernde Datenhaltung bezahlt und welche juristischen Konsequenzen daraus für die eintragenden und auslesenden Ärzte erwachsen. Ungeklärt sind auch die negativen Folgen dieser Datensammlung für die Patienten, zum Beispiel bei geforderter Vorlage in Zwangssituationen bei Krankengeldbezug oder Bewerbungsgesprächen.
Die jetzige Neuausrichtung bedeutet eine weitere massive Bürokratiebelastung für Arztpraxen und Kliniken und steht deshalb im Widerspruch zu zahlreichen Beschlüssen Deutscher Ärztetage, die Bürokratieabbau fordern. Sie steht auch im Widerspruch zum höchstrichterlich statuierten Gebot der Datensparsamkeit.
Für die Kostenträger in der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) bedeutet die „Neuausrichtung“, dass sie in ein Projekt ohne erwiesenen Nutzen einen großen Teil der Versichertengelder investieren müssen – und dies in einer Zeit, in der das Kassensterben durch die Auswirkungen des Gesundheitsfonds schon eingeläutet worden ist und in der das Geld dringend für eine gute Versorgung der GKV-Mitglieder benötigt wird.
Aus diesen schwerwiegenden Gründen fordert der Deutsche Ärztetag 2011 einen Stopp des Projektes Elektronische Gesundheitskarte in der von Politik und gematik weiter verfolgten Form.
Dr. Silke Lüder
Was Sie tun können, wenn Ihre Kasse ein Foto für die "Gesundheitskarte" verlangt
Wenn Sie von Ihrer Krankenkasse aufgefordert werden, ein Foto für die "Gesundheitskarte" einzusenden, sollten Sie diese Aufforderung gründlich prüfen. Möglicherweise haben Sie Fragen an Ihre Krankenkasse? Dann können Sie die Musteranfrage der Aktion "Stoppt die e-Card!" hier herunterladen.
Möglicherweise wollen Sie aber unmittelbar einen begründeten Widerspruch gegen die Anforderung eines Fotos einlegen. Dann können Sie einen Musterwiderspruch herunterladen.
Zusatzinformationen:
Versicherungsschutz auch ohne Foto
Das Foto auf der e-Card: Informationen für Bürger
Bitte nicht lächeln - eine Information des CCC
Versicherungsschutz in Zeiten der "Gesundheitskarte"
Montag, 30. Mai 2011
Designfehler und Basis-Rollout
Nachdem der Arzt und IT-Experte Heydenbluth gravierende Sicherheitslücken der elektronischen Gesundheitskarte aufgedeckt hatte, können seine Überlegungen im Detail auf seiner Webseite nachgelesen werden: einmal im Format DIN-A-4, einmal als Booklet.
Im Anhang zusätzlich einige interessante Anmerkungen zum geplanten Notfalldatensatz. Anklicken, es lohnt sich!
Mittwoch, 25. Mai 2011
Stoppen Sie die elektronische Gesundheitskarte
Offener Brief an Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr
Stoppen Sie die elektronische Gesundheitskarte
Die Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW) fordern den neuen Gesundheitsminister Daniel Bahr auf, das Projekt E-Card zu stoppen. „Die Übertragung persönlicher Krankheitsdaten in bundesweite Internetnetze missachtet die Schweigepflicht der Ärzte, hebt die informationelle Selbstbestimmung der Versicherten auf und konterkariert die vom Gesetzgeber bestimmten Ziele,“ schreibt der IPPNW-Vorsitzende Matthias Jochheim in einem Offenen Brief an Bahr. Die IPPNW fürchtet, dass die E-Card zu „gläsernen Patienten und gläsernen Ärzten“ führt. Statt Qualitätssteigerung der Versorgung fresse die Karte Zeit und Geld. In einer realen Notsituation sei sie nicht zuverlässig verwendbar.
Keine Macht der Welt könne so großen Datenmassen im Internet dauerhaft schützen, heißt es in dem Offenen Brief. Der Gesundheitsminister solle sich dafür einsetzen, dass die Ausgabe von bis zu 14 Milliarden Euro aus Versicherungsbeiträgen nicht zu Profiten der IT-Industrie, sondern für eine gute medizinische Versorgung verwendet werde.
Daniel Bahr hatte für die FDP-Fraktion am 23. April 2009 an einer Pressekonferenz des Bündnisses „Stoppt die e-Card“ teilgenommen und sich für ein Moratorium des Projekts E-Card ausgesprochen, solange die Freiwilligkeit der Nutzung und die Sicherheit der Daten nicht garantiert seien. Es gehe hier um die sensibelsten Daten der Patienten überhaupt. Er habe Sorge, dass ein sehr starker politischer Druck vor allem von der Industrie entstehe, die freiwilligen Anwendungen der E-Card zu Pflichtanwendungen zu machen. Bahr rügte auf der Pressekonferenz zudem, dass es kein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis der elektronischen Gesundheitskarte gebe.
Beim Bündnis „Stoppt die e-Card“, dem die IPPNW angehört, sind bereits 750.000 Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern gegen die elektronische Gesundheitskarte eingegangen.
Den Offenen Brief an Daniel Bahr finden Sie hier.
Pressekontakt: Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung, Körtestr. 10, 10967 Berlin, Angelika Wilmen, Tel. 030 – 69 80 74 15, Mobil: 0162 / 205 79 43,
Email: wilmen@ippnw.de, www.ippnw.de
Offener Brief an Präsident Hoppe und den Vorstand der Bundesärztekammer
Offener Brief an Präsident Hoppe und den Vorstand der Bundesärztekammer
Sehr geehrter Herr Kollege Hoppe,
bevor Sie Ihr Amt einem Nachfolger übergeben, wenden wir uns an Sie als hochgeschätzten langjährigen Präsidenten der Bundesärztekammer: Wovon hängt die Qualität der medizinischen Behandlung durch Ärztinnen und Ärzte Ihrer Meinung nach ab? Wir sind uns sicher einig: Von einer guten Ausbildung, Kompetenz, Empathie, guten Arbeitsbedingungen und angemessener Bezahlung der Arbeit.
Was schadet einer guten medizinischen Versorgung?
Arbeitsbedingungen, die sich an der Renditeerwirtschaftung für Kapitalgesellschaften orientieren. Fall-pauschalensysteme in Kliniken mit negativen Auswirkungen auf die individuelle Therapie und Diagnostik für Patienten. Übermäßiger Druck durch die wirtschaftliche Entscheidungsebene in Kliniken auf die medizi-nischen Entscheidungen von Ärztinnen und Ärzten. Reduzierte Ausbildungsmöglichkeiten von Ärzten in Weiterbildung durch übermäßig rationalisierte Ablaufschemata in Kliniken nach dem Vorbild automatisierter Wirtschaftbetriebe. Das alles schadet einer guten Versorgung.
Schlecht sind außerdem Arbeitsbedingungen in der ambulanten Medizin, die sich durch Billigpauschalen für die Erbringung persönlicher ärztlicher Leistungen auszeichnen. Und zwangsläufig dazu führen, dass für den einzelnen Menschen zu wenig Zeit zur Verfügung steht und die Patienten im Gesundheitswesen krei-sen, ohne wirklich Hilfe zu bekommen. Das alles verschlechtert Medizin.
Außerdem ein Übermaß an Bürokratie in Klinik und Praxis, als da sind: Kodierzwänge, Überlastung mit administrativen Tätigkeiten, wirtschaftliche Bedrohungen durch Regresse.
Was erleben wir als angebliche Lösung? Welche vermeintlich die „Wirtschaftlichkeit, Transparenz und Qualität“ der gesamten medizinischen Versorgung verbessern soll?
Ein gescheitertes Industrieprojekt, welches im schlimmsten Fall 14 Milliarden Euro kosten wird.
Eine neue Versichertenkarte, die nicht mehr kann als die alte, aber viel teurer ist. Die den Missbrauch nicht verhindern kann, weil die Versichertenfotos nicht identitätsgeprüft sind.
Freitag, 20. Mai 2011
Sicherheitsgefahr durch "Elektronische Gesundheitskarte"- Experte schlägt Alarm!
Der tiefere Hintergrund der neuen BSI Anordnung vielleicht? Gefahr durch ausgehebelte Sicherheitsmechanismen und geklaute Lesegräte und e- Arztausweise!
Der IT-Experte Heydenbluth hat als „ Ergebnis mehrjähriger eigener Analysen und Experimente mit Prototypen der eGK, die während eines Entwicklungsprojektes für die Industrie begannen, gravierende Sicherheitslücken der elektronischen Gesundheitskarte aufgedeckt. Er ist eigentlich ein Befürworter des Projektes, hat als Arzt und Informatiker jahrelang bei der Firma ICW gearbeitet und kommt zu folgenden Ergebnissen:
„Die Nutzdaten der eGK, also medizinische und administrative Daten sind offen, können von jedermann gelesen und in Teilbereichen sogar manipuliert, in anderen Bereichen zerstört werden. Heydenbluth informiert zunächst über einige Sicherheitsmechanismen der eGK und zeigt dann konkret auf, wie diese umgangen bzw. komplett ausgehebelt werden können.“
Auf einer Veranstaltung Anfang Mai 2011 wies er detailliert nach, wie das geschehen kann.
Die eingeführte Authentifizierung in den Praxen läuft über eine Card-to-Card Authentifizierung, also der Heilberufeausweis des Arztes erkennt auf diesem Wege die eGK des Versicherten und umgekehrt.
Das ist dafür nötig um dann auf der Karte zum Beispiel den geplanten Notfalldatensatz, der in Wirklichkeit eine elektronische Patientenakte in Kleinformat ist, auslesen oder neu schreiben zu können. Wenn der elektronische Arztausweis gesteckt und mit Eingabe der 6- stelligen PIN vom Arzt aktiviert worden ist, wird die Patientenkarte gesteckt und der Vorgang kann beginnen. Nun kommt dazu, dass in den meisten Praxen ein internes LAN Netzwerk besteht, weil es mehrere Terminals geben wird. Aus Praktikabilitätsgründen werden zusätzlich zu dem einen Arztausweis auch noch Institutskarten sogenannte SMC- Karten ausgegeben , damit auch die Helferinnen an den anderen Terminals arbeiten können. Wenn der Arztausweis aus dem einen Terminal im Sprechzimmer entfernt wurde, funktioniert aber immer noch die Aktivierung im LAN Netzwerk. Dieses LAN Netzwerk kann aber auch übers Internet ausgelesen werden.
Es reicht nun m.E. nach Aussagen des Spezialisten Heydenbluth, ein Lesegerät zu stehlen, eine steckende Institutskarte SMC zu stehlen um zusammen mit weiteren leicht zu stehlenden Daten aus dem Internet mit einer einzigen Institutskarte und einem aktivierten Lesegerät (vor allem der Sorte ehealth BCS Terminal ohne Konnektor und ohne Upgrade) eine große Anzahl von Versichertendaten von zuhause aus ab zu rufen. Es ist also möglich, so sinngemäß der Experte, pro Stunde hunderte von Medizindatensätzen unterschiedlicher Patienten abzurufen, so Heydenblut im Video. Und eine Möglichkeit, einen gestohlenen Arztausweis oder eine SMC Karte zu sperren, gäbe es nicht.
Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Erweiterung des Notfalldatensatzes von Seiten des Vorstandes der Bundesärztekammer zu einer für alle Nutznießer (wie Kliniken, oder auch mal der MDK bei Bezug von Krankengeld“ oder auch beim Bewerbungsgespräch „bitte schalten Sie doch mal kurz Ihre Daten frei“) übersichtlichen, komprimierten Patientenakte (alle Diagnosen, alle Arzneimittel, alle Allergien, Verweise auf alle persönlichen Dokumente wie Patientenverfügung, Organspendeausweis, Betreuungsvollmachten mit deren Hinterlegungsorten) auf dem Chip der verpflichtenden Versichertenkarte die man überall vorzeigen muss, eine von uns als Aktion „Stoppt die E-Card“ schon seit Jahren immer wieder kritisierte Maxímalgefahr für Krankheitsdaten und Privatsphäre aller Bürger.
Die gesammelten komprimierten Krankheitsdaten gehören nicht auf einen Chip einer Versichertenkarte und auch nicht in Zentralserver! Sondern auf Papier oder auf einen USB Stick ausschließlich in die Hand der Patienten!
Man stelle sich bitte vor, auf diesem Wege (wie oben beschrieben) würden die ersten Krankheitsdaten einer größeren Politikergruppe ins Netz gestellt werden und zum Zwecke der wirtschaftlichen oder politischen Erpressung genutzt werden.
Das Gesamtkonzept des Notfalldatensatzes, von der Bundesärztekammer verantwortet und veröffentlicht, wird von ihm ebenfalls kritisiert, da es keine Absicherung gegen das Szenario gäbe, dass ein neuerer Notfalldatensatz von einem vorhandenen älteren überschrieben werden würde.(!)
Wir könnten also möglicherweise das Vergnügen haben, mit einem riesigen unbezahlten Zeitaufwand einen medizinischen Datenmüllhaufen auf den Karten zu erstellen, der mehr Schaden anrichten als nutzen wird. Abgesehen von allen weiteren berechtigten Kritikpunkten.
Unabhängig von Heydenbluth gibt es unter IT- Insidern weitere Kritik an der „ Neuausrichtung des eGK Projektes nach der Bundestagswahl: Das neue Konzept des Rollouts sei deutlich unsicherer als das alte, bis 2009 entwickelte, weil die Vorgabe eines „ Konnektors“ fehle. Er fungierte als (de)zentralerSicherheitsanker mit Firewall , VPN Komponente und entsprechender Fachlogik. In der Gesamtheit sorgte der Konnektor so dafür, dass nur die Informationen in die Infrastruktur gelangen, die tatsächlich gewünscht sind. In der anderen Richtung stellte der Konnektor sicher, dass niemand aus der Infrastruktur heraus auf die Arztsysteme zugreifen kann. Diese Sicherheit gäbe es nun nicht mehr. Es gäbe Kritik des Bundesamtes für Sicherheit BSI an dieser „ Neuausrichtung“, aber sie werde ignoriert. Vor allem von der Arbeitsgruppe unter Leitung des GKV Spitzenverbandes( Pfeiffer) die immerhin alleine 50 % der Stimmenanteile in der gematik hält!
Die KBV ist neben den Kassen ebenfalls als 2. Partner mitverantwortlich für die Erstellung der Telematikinfrastruktur und damit auch für die jetzt reduzierte Sicherheit des Projektes und den daraus resultierenden Gefahren (darüber wird aber ungerne gesprochen). Im Übrigen scheinen die Lastenhefte für die Infrastruktur auch schon erstellt worden zu sein(25.3.2011) wurden aber einfach nicht veröffentlicht. Das nennt sich dann Demokratie.
Für den kommenden Ärztetag kann es nur eine Devise geben: Auf der geltenden Beschlusslage der letzten Jahre zu bestehen, das Projekt weiter abzulehnen als unsinnig, teuer und gefährlich und sich vom Telematikdezernat des Vorstandes der BÄK und dem unglaublichen Akzeptanzmarketing im Deutschen Ärzteblatt nicht täuschen zu lassen.
Dr. Silke Lüder
Freitag, 6. Mai 2011
Aktuelle Information für Patienten: Tägliche Datenskandale lassen uns kritisch sein!
Haben Sie schon etwas von der neuen „Elektronischen Gesundheitskarte“ mit Foto gehört, die Sie bald bekommen sollen?
Das ganze „Gesundheitswesen“ soll „digitalisiert“ werden und alle Krankheitsdaten der Menschen sollen übers Internet laufen. Und mit dem Foto der Patienten auf der Karte sollen Ärzte die „Identität“ ihrer Patienten kontrollieren. Sozusagen als Kontrollstelle für die Kassen. Später geplant würden dann Arztbriefe und Krankenhausberichte dauerhaft in einem zentralen Daten-Netzwerk gespeichert. Angeblich soll unser Gesundheitswesen dann besser, billiger und für alle transparenter werden. Im Notfall könne man durch diese Karte schneller gerettet werden. Sagt unsere Regierung.
Stimmt das wirklich? Tägliche Datenskandale lassen uns kritisch sein!
Realität Nr. 1: Keine echte Bedeutung von „elektronischen“ Notfalldaten!
Im akuten Notfall spielt es keine Rolle, ob Sie z.B. an einer Penicillinallergie leiden oder welche Blutgruppe Sie haben. Der Notarzt hat keine Zeit, um auf eine Computerverbindung zu warten und diese Informationen spielen für sein Handeln keine wesentliche Rolle. Im akuten Notfall geht es darum, Herz, Kreislauf und Atmung zu stabilisieren. Eine Blutübertragung wird im lebensbedrohlichen Notfall mit einer „Standardblutgruppe“ durchgeführt, erst im Krankenhaus wird die richtige Blutgruppe getestet. 90 % der Bürger haben einen Hausarzt, der ihre Krankheitsgeschichte kennt.
Realität Nr. 2: Die Karte frisst Zeit und Geld in Arztpraxen und Krankenhäusern!
Bei allen bisherigen Tests stellte sich heraus: Die neue Karte raubt den Ärzten die Zeit. Das Einlesen der Daten, wenn der Patient in die Praxis kommt und das Erstellen der „Notfalldatensätze“ kostete viel mehr Zeit als bisher. So müssen Sie in der Arztpraxis länger auf Ihre Behandlung warten. Von Ihrem Haus oder Facharzt können Sie jetzt schon jederzeit Ihre medizinischen Berichte bekommen. Für sich selbst oder für andere Ärzte. Elektronische Arztbriefe gibt’s auch schon längst. Nicht nur für Auslandsaufenthalte gibt es Notfallausweise auf Papier, sogar in viele Sprachen übersetzt. Die Daten können auch auf spezielle USB- Sticks gespeichert werden. Für all das braucht man kein milliardenschweres bundesweites Krankheitsdatennetzwerk!
Realität Nr. 3: Mit der neuen Krankheitskarte wird mit Sicherheit alles teurer
Allein im Jahr 2009 Jahr mussten Ihre Kassen ca. 740 Millionen Euro für das „Kartenprojekt“ einplanen, auf längere Sicht kostet es 7-14 Milliarden Euro, die in der Grundversorgung dringend gebraucht werden. Aber alles wird transparenter? Ja, so entstehen „gläserne Patienten und gläserne Ärzte“. Wollen Sie das? Datenskandale sind an der Tagesordnung.
Schluss mit dieser weiteren Verschwendung von Versichertengeldern! Hier kann man bis zu 14 Milliarden sparen. Der „Deutsche Ärztetag“ hat die e-GK mehrfach abgelehnt.
Diese Patienteninformation als Download
Sonntag, 6. Februar 2011
Wird 2011 zum Jahr der Bürokratieexplosion in den Arztpraxen?
Das Jahr 2011 für die Praxisärzte:
Zwang zur elektronischen Abrechnung ab 1. Januar
Zwang zur Einführung der „Ambulanten Kodierrichtlinien“
Zwang zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte im Schweinsgalopp (eine neue Rechtsverordnung, erlassen von Philipp Rösler am 25.1.2011)
Wir erinnern uns daran, was die FDP uns vor der Bundestagswahl in 2009 versprochen hatte: Sinngemäß Frau Flach zum Hamburger Abendblatt: Wenn die FDP nach der Wahl in der Regierung ist, könnten die bisher aufgelaufenen Kosten von 1,4 Milliarden für die eGK die letzten gewesen sein. Und sie sagte:
"Die elektronische Gesundheitskarte, eines der Leuchtturmprojekte der großen Koalition, ist gescheitert." (Statement nach der Anhörung zur eGK im Mai 2009)
Das Projekt ist tatsächlich schon im Vorwege gescheitert. Aber um dieses industriegetriebene Projekt dennoch realisieren zu können, erlässt Rösler jetzt eine neue Rechtsverordnung, die die bisherigen Rechtsgrundlagen für die Tests und die Einführungsphase vollständig verändern und so reduzieren, dass die Karte auch ohne die bisher vorgeschriebenen Tests eingeführt werden kann.
Was war bisher in den Richtlinien für die Tests seit 2005 vorgeschrieben?
Bisher sollte die eGK in 7 Testregionen VOR der Einführung zunächst an jeweils 10.000 Versicherten erprobt werden. Erst sollten alle Funktionen offline, das heißt ohne Internetzugang, anschließend online mit Internetanschluss getestet werden.
Die Tests mussten zwingend ausgewertet werden und die Fehler vor den nächsten Tests und natürlich vor der Einführung der Karte beseitigt werden. Auf die 10.0000er Tests sollten dann in einigen Testregionen Tests mit jeweils 100.0000 Versicherten erfolgen, zusätzlich online.
Was ist bisher passiert?
Mit einem inzwischen Milliardenaufwand an vor allem Versichertengeldern wurde OFFLINE bis 2008 getestet. Mit niederschmetternden Ergebnissen und total frustrierten Testärzten.
Nichts hat funktioniert. Die PIN-Nummern wurden von Ärzten und Patienten vergessen, das elektronische Rezept war der totale Reinfall, ebenso der geplante Notfalldatensatz auf der Karte. Insgesamt hat bei den Tests nicht die Technik dem Menschen geholfen, sondern die neue Karte hat die Arbeit in den Praxen und Apotheken lahmgelegt.
Donnerstag, 9. Dezember 2010
WIKILEAKS: WAS LEHREN UNS DIE GEHEIMEN DATEN DER US-DIPLOMATEN?
Von Dr. Klaus Günterberg, Frauenarzt, Berlin
Erst waren es hunderttausende streng geheime Dokumente und brisante Videos der US-Armee über die Kriege im Irak und in Afghanistan, zweifellos auf höchstem technischem Niveau und mit militärischen Verschlüsselungstechniken gesichert. Nun hat WikiLeaks wieder vertrauliche Daten veröffentlicht; diesmal sind es diplomatische Protokolle aus dem US-Außenministerium.
Natürlich sind militärische Berichte und diplomatische Protokolle heutzutage digitalisiert. Natürlich ist der Zugang zu solchen Daten nur Menschen erlaubt, die besonders überprüft, zuverlässig und verschwiegen sind. Und natürlich ist der Zugriff zu solchen Daten bestmöglichst geschützt. Und dennoch sind diese Daten in die Öffentlichkeit gelangt; wie wir inzwischen wissen, von Zugriffsberechtigten kopiert und gestohlen.
Was haben die von WikiLeaks veröffentlichten diplomatischen Protokolle mit der elektronischen Gesundheitskarte zu tun? Diplomatie braucht Vertraulichkeit – wie Medizin auch. Was im Vertrauen auf Verschwiegenheit gesagt wurde, muss auch vertraulich bleiben. Bei dem, was dem Arzt anvertraut wird, geht es schließlich um die intimsten Angelegenheiten der Menschen.
Denkt man an WikiLeaks, drängt sich der Vergleich mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) auf. Ziel dieses Projektes eGK ist - das sollte man nie vergessen - der Aufbau einer deutschen vernetzten Datenbank, die alle Krankheiten, Untersuchungsergebnisse und Behandlungen aller 82 Millionen Bürger unseres Landes erfasst und mit der alle medizinischen Einrichtungen und Kostenträger (Tabelle 1, Zeilen 1-6) verbunden, „vernetzt“ sein sollen.
Auch bei der eGK wird Geheimhaltung versprochen. Allerdings würde bei der eGK nicht nur ein kleiner und überprüfter Kreis Zugang haben, vielmehr sollen (und müssten ggf.) die Mitarbeiter des deutschen Gesundheitswesens und ihrer Softwarefirmen Zugang haben (Tabelle 1), vorsichtig geschätzt ca. 1,35 Millionen Menschen.
Tabelle 1: geplanter Zugang zur eGK-Datenbank
123.000 niedergelassene Ärzte und ihre Mitarbeiter
65.000 Zahnärzte und ihre Mitarbeiter
21.000 Apotheken und ihre Mitarbeiter
2.200 Krankenhäuser und ihre Mitarbeiter
169 gesetzliche Krankenkasse und ihre Mitarbeiter
50 private Krankenversicherungen und ihre Mitarbeiter
2.000 und mehr ? Software-Firmen und ihre Mitarbeiter
WikiLeaks bestätigt: Die größte Gefahr für die Daten scheinbar gesicherter Netze geht nicht von außen, von Hackern, sondern von innen, von den Innentätern aus. Der Skandal um WikiLeaks zeigt auch, dass vertrauliche Daten, wenn sie erst einmal vernetzt und damit vielen Menschen zugängig sind, nicht mehr zu schützen sind. Ganze Archive lassen sich heute bereits auf einen USB-Stick von Fingernagelgröße kopieren und unbemerkt aus jeder Einrichtung heraustragen. Je größer das Netz, umso mehr Menschen haben Zugriff und desto größer ist die Gefahr des missbräuchlichen Zugriffs Zugriffsberechtigter und des Datendiebstahls. Letztlich ist in einem sehr großen Netz keine Sicherheit vertraulicher Daten mehr gegeben. Das ist die wichtigste Lehre aus den Veröffentlichungen von WikiLeaks.
Sonntag, 5. Dezember 2010
Diagnose Messediener
von Dr. med. Bernd Hontschik (Frankfurter Rundschau, 4.12.2010)
Vor zwei Wochen ging in Düsseldorf die Medizinmesse Medica zu Ende. Bei 137200 Besuchern in vier Tagen muss sich zwar nicht gleich ganz Deutschland dafür interessieren, aber immerhin handelt es sich hier um die größte Medizinmesse der Welt, besser gesagt: um die größte Messe für Medizintechnik der Welt.
Die Hälfte der Besucher kam aus dem Ausland, aus mehr als 100 Nationen. "Wer nach Düsseldorf reist, ist ein Entscheidungsträger von besonderer Qualität", frohlockt Medica-Geschäftsführer Joachim Schäfer und schreibt in seiner Pressemitteilung: "Die Hersteller von Medizintechnik und Medizinprodukten verspüren kräftigen Rückenwind für ihre Geschäfte." Gute Laune in allen Hallen.
Unsere Bundeskanzlerin hielt sogar die Eröffnungsrede und bezeichnete die Medica als "eindrucksvolles Schaufenster der Gesundheitswirtschaft". Ich würde mich ja so gerne mitfreuen.
Als niedergelassener Arzt bin ich jeden Tag mit Kürzungen, Beschränkungen und Regressdrohungen konfrontiert. Meine Patienten müssen für nahezu jede medizinische Behandlung einen Eigenanteil zuzahlen, für jedes Medikament, jede Physiotherapie, jeden Tag Aufenthalt im Krankenhaus, jeden Krankentransport. Die Beiträge zur gesetzlichen und privaten Krankenversicherung steigen stetig. So büßen Ärzte und Patienten jeden Tag für das Märchen von der Kostenexplosion. Da ist keine gute Laune in allen Wartezimmern, eher Gereiztheit und dicke Luft. Wie kommt es zu diesem himmelweiten Unterschied?
Nehmen wir die elektronische Gesundheitskarte. Die FDP hat ihren Gesundheitsminister deswegen zunächst von einem Moratorium sprechen lassen, denn der Schutz der "hochsensiblen Daten" erfordere "hohe Datenschutzstandards". Das ist ein Jahr her - und vergessen. Die Online-Anbindung der Arztpraxen wird jetzt Pflicht. Jeder der 112660 niedergelassenen Ärzte in Deutschland wird 850 Euro erhalten, um ein neues Kartenlesegerät anzuschaffen. Das macht 100 Millionen Euro. Wer wird das bezahlen?
Bei jedem Arztbesuch werden damit die Patientendaten mit der Krankenkasse abgeglichen. Wussten Sie das? Jede Krankenkasse, die bis Ende 2011 nicht mindestens zehn Prozent ihrer Mitglieder mit der elektronischen Gesundheitskarte ausstattet, wird mit Strafzahlungen bis zu 200 Millionen Euro bedroht. Ist das nicht genial? Die neue Karte soll noch dazu eine Bezahlfunktion enthalten, damit die Praxisgebühr direkt vom Bankkonto abgebucht werden kann. Was für ein Fortschritt!
Lieber gut gelaunt in der Messehalle statt krank und schlecht gelaunt im Wartezimmer - wenn man die Wahl hätte.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors. Link zum Artikel (pdf).