Viel ist nicht mehr übrig vom Milliarden-Projekt „elektronische Gesundheitskarte“ – immer mehr Funktionen wurden weggelassen, weil sie entweder nicht alltagstauglich waren oder den Datenschutz verletzten. Jetzt soll der traurige Rest eingeführt werden – offenbar vor allem deshalb, um IT-Konzerne mit staatlichen Geldern zu versorgen.
Die ehemals geplant als „weltgrößtes IT-Projekt“ gepriesene Gesundheitskarte ist abgespeckt bis aufs Gerippe. Es ist nicht viel mehr übrig geblieben als eine neue Versichertenkarte für gesetzlich Versicherte mit einem Foto, welches angeblich den „Missbrauch“ im Gesundheitswesen verhindern soll. Die Kassen überprüfen aber nicht, ob das Foto mit dem Karteninhaber übereinstimmt.
Außerdem enthalten: Ein Notfalldatensatz, der in allen Tests gescheitert ist. Dafür aber müssen Arztpraxen künftig zeitaufwändig Verwaltungsarbeit für die Krankenkassen erledigen. Aber immer noch wird versucht, die Gesundheitskarte als Schlüssel für eine Zwangsvernetzung im Gesundheitswesen einzusetzen, um alle Krankheitsdaten über das Internet in zentralen Servern zu speichern.
„Das lehnen wir weiter in aller Deutlichkeit ab“, sagt Kai-Uwe Steffens, Vertreter des „Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung“. Steffens ist Initiator einer aktuellen Bundestagspetition gegen die anlasslose Speicherung von Kommunikationsdaten: “Ebenso wenig wollen wir die Vorratsdatenspeicherung in der Medizin, die mit der elektronischen Gesundheitskarte geplant ist. Das ELENA-Projekt wurde gestoppt, weil es viel mehr Nachteile als Vorteile hatte, und das trifft auch auf das e- Card Projekt zu. Ein vergleichbares Patientendatenprojekt in Großbritannien wird jetzt eingestellt, und das sollte hier auch geschehen.“
„Gravierende Sicherheitsmängel in dem ganzen Projekt sind noch nicht geklärt“, warnt auch Martin Grauduszus, Präsident der „Freien Ärzteschaft“. „Die Krankenkassen wollten das Projekt schon fallen lassen, aber die Bundesregierung hat mit einer neuen Gesetzesänderung per Drohung mit Millionenstrafen durchgesetzt, dass das elektronische Kärtchen jetzt doch noch kommen soll“, kritisiert Grauduszus: „Die Ärzteschaft lehnt dieses staatliche Mammut Projekt weiterhin ab!“
„Alle aufwändigen Tests sind gescheitert“ berichtet Dr. Silke Lüder, Sprecherin der Aktion Stoppt die e-Card, einer bundesweiten Bürgerinitiative aus 53 Organisationen. „ Es ist ein Skandal, dass in Zeiten steigender Zusatzbeiträge für Versicherte bis zu 14 Milliarden Euro in ein Projekt investiert werden sollen, welches unsinnig ist und die ärztliche Schweigepflicht aushöhlt. Die Bundesregierung wäre gut beraten, diesen digitalen Transrapid auf das Abstellgleis zu schieben“.
Dienstag, 27. September 2011
Digitalen Transrapid „Elektronische Gesundheitskarte“ auf das Abstellgleis schieben!
Freitag, 23. September 2011
Treffen der Aktion "Stoppt die e-Card!" am 16. September in Hamburg
Ursprünglich sollte die e-Card bereits 2006 eingeführt werden, doch führte ein Flut von Widersprüchen, ungelösten technischen Problemen und Pannen bei Testläufen dazu, daß das Vorhaben mehrfach verschoben und erheblich reduziert wurde. Um sich greifender Protest von Ärzten, Krankenkassen und Datenschützern kippte das elektronische Rezept ebenso wie die elektronische Patientenakte, so daß das futuristische Konzept, alle erdenklichen Daten auf der e-Card zu vereinen, unterwegs auf ein dürftiges Endprodukt zusammenschrumpfte. Jetzt unterscheidet sich die neue Karte, von verbesserten Sicherheitsaspekten abgesehen, von der alten vor allem durch ein aufgedrucktes Lichtbild des Patienten. Obgleich das Projekt inzwischen weithin als gescheitert, nutzlos oder sogar kontraproduktiv eingeschätzt wird, hält das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) an seiner Durchsetzung fest. Um diese zu erzwingen, werden die Krankenkassen durch eine Gesetzesänderung genötigt, ab 1. Oktober 2011 bis Ende des Jahres an 10 Prozent ihrer Versicherten e-Cards auszugeben. Erfüllen sie diese Auflage nicht, drohen ihnen Strafen in Millionenhöhe. Angesichts dieser Terminierung tritt nun der Widerstand gegen die elektronische Gesundheitskarte in eine entscheidende Phase.
Sonntag, 11. September 2011
Freiheit statt Angst 2011: Gesundheit ist keine Ware, Medizindaten sind kein Geschäftsfeld.
Rede von Silke Lüder anlässlich der Demo „Freiheit statt Angst“ 2011
Liebe Freunde,
Der Überwachungswahn in unserer Gesellschaft macht auch nicht vor unseren intimsten Daten halt, den Krankheitsdaten.
Worum geht es?
In diesem Winter soll der digitale Transrapid namens elektronische Gesundheitskarte endlich Wirklichkeit werden.
Seit 2006 sollte sie jeder schon in seinem Portemonnaie haben. Eine Milliarde Euro wurden bereits dafür ausgegeben, aber auf das angebliche Wunderwerk warten wir immer noch. Ein Zauberkärtchen, dass das Gesundheitswesen revolutioniert und alles besser und billiger macht: Das versprach Ulla Schmidt 2006 – es folgte eine Galavorstellung aus der Reihe Pleiten, Pech und Pannen.
Alle Patientendaten sollten übers Internet geleitet, auf Internetservern in zentralen Patientenakten gespeichert, zwei Millionen „Teilnehmer am Gesundheitswesen“ jederzeit darauf zugreifen können. Rezepte sollten nur noch auf der Karte gespeichert werden, und durch die Notfalldaten auf dem kleinen Kärtchen jeder jederzeit im Notfall auf der Stelle gerettet werden können.
Angebliche Einsparungspotenziale in Milliardenhöhe pro Jahr standen als Ergebnis unter Phantasie-Kalkulationen. Daneben sollte die deutsche Wirtschaft von diesem „weltgrößten IT Projekt“ direkt aus der Steuer- und Krankenkassenschatulle profitieren.
Was kommt jetzt, Ende 2011? Eine Gesundheitskarte, die nur noch ein digitales Gerippe ist.
Selbst die Krankenkassen sind jetzt von dem Projekt nicht mehr überzeugt. Mit der Androhung von Millionenstrafen für die gesetzlichen Kassen soll es ab Oktober durchgesetzt werden. Es gab aufwändige Tests, in denen elektronisches -Rezept und die praktische Handhabung der Karte getestet wurden. Die Ergebnisse waren niederschmetternd. Nichts hat funktioniert. Die Abläufe in den Praxen verlangsamten sich, und das e-Rezept legte die Praxisarbeit lahm. Und: Patienten wie Ärzte hatten die 6-stelligen PIN-Nummern stets vergessen. Nicht mehr, sondern weniger Gesprächszeit beim Arzt war das Ergebnis.
Der „Notfalldatensatz“ auf der Versichertenkarte ist ein weiteres Beispiel für eine verlogene Argumentation. In allen Werbeumfragen der Industrie wird suggeriert: Wollen Sie im Notfall gerettet werden, weil ihre Blutgruppe auf ihrer Versichertenkarte steht?
Wer will da nein sagen?
Dabei ist auch der Industrie-Lobby bekannt, dass jeder im akuten Notfall erst mal eine Art Standardblutkonserve bekommt und im Krankenhaus die Blutgruppe jedes Mal neu getestet werden muss.
Durch das Foto auf der Karte solle der Missbrauch gestoppt werden. Nach den EU-Datenschutzrichtlinien müsste die Übereinstimmung von Foto und Versichertem geprüft werden. Das geschieht aber nicht. Wer es drauf anlegt, reicht einfach ein falsches Foto ein. Auch dieses Werbeargument ist also nur eine Fiktion.
Normalerweise sollten niederschmetternde Testergebnisse zur Einstelllung eines Mammutprojektes führen.
Aber hier geht es um zu viel sicheres Geld aus öffentlichen Kassen für die IT-Industrie, die offensichtlich gute Drähte nach Berlin hat: Sprach sich Gesundheitsminister Daniel Bahr vor der Wahl noch vehement gegen die Karte aus, setzt sein Ministerium nun die Industrieforderungen mit Nachdruck in Gesetzesregelungen um.
Und die weitergehenden Pläne der Totalvernetzung des Gesundheitswesens und der Speicherung aller Medizindaten in zentralen Serveranlagen sind nur vorläufig auf Eis gelegt worden. Sie werden im Hintergrund konsequent weiter verfolgt aber ohne dass die Öffentlichkeit davon Kenntnis hat.
Die Gesundheitswirtschaft wünscht, in den Besitz der Medizindaten zu kommen, das ist der tiefere Hintergrund der Weiterführung des schon im Vorwege gescheiterten e- Card Projektes.
Medizindaten sind wertvoll, Medizindaten werden gebraucht um Gesundheitskonzernen die Planung und Renditeerwirtschaftung für ihre Kapitalgesellschaften zu ermöglichen. Also geht das e- Card Projekt immer weiter, seit 2006.Trotz aller Widerstände von Ärzten, Patienten, und Bürgerrechtsorganisationen.
Bis zu 14 Milliarden Euro soll dieses Projekt kosten. Geld, das nutzlos verbrannt wird – und das anschließend da fehlt, wofür die Bürger es zahlen: In der Patientenversorgung.
Dieser gefährliche Unsinn gehört auf den Müllhaufen deutscher Gesundheitspolitik. Die Milliarden müssen dort eingesetzt werden, wo sie wirklich gebraucht werden. In der Finanzierung eines guten Gesundheitswesens für jeden Bürger, in Medizin auf hohem Niveau für die Menschen. 750 000 Bürger haben schon erklärt, dass sie sich weigern, die neue Karte zu nutzen. Der Deutsche Ärztetag hat seit Jahren das Projekt abgelehnt!
Gesundheit ist keine Ware, Medizindaten sind kein Geschäftsfeld. Und: Krankheitsdaten gehören nichts ins Internet. Niemand kann sie dort auf Dauer schützen. Vielen Dank!
Dr. med. Silke Lüder
Allgemeinärztin in Hamburg, Sprecherin der bundesweiten Aktion „ Stoppt-die-e-Card“ aus 53 Organisationen und Verbänden aus allen Bereichen der Gesellschaft
Freitag, 9. September 2011
Stoppt die elektronische Gesundheitskarte
Debatte - Stoppt die elektronische Gesundheitskarte - Politik - Hamburger Abendblatt
Seit 2006 sollte sie jeder schon im Portemonnaie haben: die elektronische Gesundheitskarte (e-Card). Eine Milliarde Euro wurde dafür ausgegeben, auf das angebliche Wunderwerk warten wir noch. Das Zauberkärtchen sollte das Gesundheitswesen revolutionieren und alles besser und billiger machen: Das versprach Ulla Schmidt (SPD) 2006. Es folgte eine Galavorstellung aus der Reihe Pleiten, Pech und Pannen.